Gradienten FaktorenErik Baker stellte über die Anpassung der Koeffizienten hinaus Überlegungen an, wie die Entsättigung noch konservativer durchgeführt werden und gleichzeitig an bestimmte Tauchgangsprofile angepasst werden könnte. Hintergrund der Überlegung war, dass kurze, tiefe Tauchgänge eher zu einer Sättigung der schnellen Kompartimente führen, während lange, weniger tiefe Tauchgänge auch zu einer stärkeren Sättigung der mittleren und langsameren Kompartimente führen. Baker wollte die Möglichkeit schaffen, auf solch unterschiedliche Tauchgangsprofile angepasster zu reagieren. Dazu führte er die sog. Gradientenfaktoren ein, die in der Regel zwischen 0 und 1 liegen und ausdrücken, wie viel Prozent des „Entsättigungsbereiches“ ausgeschöpft werden (s. Abbildung 1). Abbildung 1 Entsättigungsbereich, aus "Understanding M-values", von Erik C. Baker Über die Einführung von Gradientenfaktoren (GF) kann die Berechnung konservativer (0<GF<=1) oder weniger konservativ (GF>1) durchgeführt werden. Gradientenfaktoren steuern, wie „nah“ im Rahmen der Entsättigung der tatsächliche Gewebeinertgasdruck an den tolerierten Gewebeinertgasdruck (entspricht bei Workmann dem M-value) herangeführt werden darf.
Die Formel für lässt sich vereinfachen, wenn durch b geteilt wird:
Werden die Gradientenfaktoren in die Berechnung des tolerierten Umgebungsdruckes eingebunden, ergibt sich folgende Formel:
Auf diese Weise wird nun also über die Einführung des Gradientenfaktors gesteuert, wie weit beim Auftauchen in den "Entsättigungsraum" eingedrungen wird. Die Überlegung beim Bühlmann'schen Modell (wie bei allen Haldane'schen Modellen) besteht ja darin, über die Maximierung des Druckgradienten zu einer maximalen Entsättigung zu gelangen. Unter maximalem Druckgradienten verstehen wir hier einen möglichst großen Druckunterschied zwischen dem Inertgasdruck in den Geweben und dem Umgebungsdruck. Dieses Druckgefälle wird beim Auftauchen durch die Verringerung des Umgebungsdruckes erreicht. Maximaler Druckgradient bedeutet physiologisch, dass in den Lungenkapillaren ein höherer Inertgasdruck ansteht, als auf der alveolaren Seite. Damit diffundiert mehr Inertgas aus dem Blut in die Lungenbläschen als umgekehrt. Das Problem besteht bei der Maximierung des Druckgradienten nun darin, die (unscharfe) Grenze nicht zu überschreiten, ab der es zu einer unkontrollierten Blasenbildung kommen kann (s. Abbildung 2).
Wird auf der anderen Seite der Druckgradient nicht ausreichend erhöht, in dem z. B. nur geringfügig aufgestiegen wird, führt das je nach Tauchgangsprofil zu inakzeptabel langen Entsättigungszeiten, die mehrere Probleme nach sich ziehen können, wie z. B. Unterkühlung oder Gaslogistik. Wie auch immer der Aufstieg letztlich aussieht, klar ist, dass eine Entsättigung nur bei Kompartimenten stattfinden kann, bei denen der Gewebeinertgasdruck größer ist als der alveolare Inertgaspartialdruck. Je größer nun dieses umgekehrte Druckgefälle ist, desto schneller sättigen die langsamen Kompartimente. Dies macht sich vor allem im technischen Tauchen bemerkbar. Die notwendige Konsequenz daaus ist eine anschließende längere Entsättigungsphase auf den niedrigen Austauchstufen. Nach diesem Exkurs komme ich jetzt wieder zurück zum Thema. Eric Baker wollte es nicht bei einem einzelnen Gradienten Faktor belassen. Dieser bedeutet, dass über die gesamte Entsättigungsphase der selbe Konservativismusfaktor angewandt wird. Ziel von Baker war es, den Druckgradienten am Anfang der Austauchphase niedriger zu halten und erst mit abnehmender Austauchtiefe zu steigern. Daher führte er zwei verschiedene Gradienten Faktoren ein, GF Low (GFLo) und GF High (GFHi).
Zu beachten ist, dass Letzte Stoptiefe 0 (Meter) ist.
Bisher haben wir die rechnerische Ermittlung der Gradientenfaktoren betrachtet und wie sie für die Berechnung der Entsättigung herangezogen werden.
Im Zähler wird vom Inertgasdruck im Gewebe der Umgebungsdruck abgezogen, wobei gilt: . Nach Bühlmann sollte der tolerierte Inertgasüberdruck während des Aufstieges immer ausgenutzt werden, d. h. ohne den Sicherheitszuschlag durch einen Gradientenfaktor < 1. Der Gradientenfaktor wäre bei Bühlmann also genau 1.
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