Drucken

Berechnung der Nullzeit

Eine der wichtigsten Informationen für einen Taucher ist die Angabe der verbleibenden Nullzeit in Abhängigkeit von Tauchgangprofil und aktueller Tiefe.
Durch Auflösung der Sättigungsgleichung in (1) nach kann die verbleibende Nullzeit berechnet werden. 
Da in Gl. (1) \tau im Exponenten zur Basis 2 steht, wird nach über den Logarithmus zur Basis 2 aufgelöst. 
Die Formel zur Berechnung der Nullzeit lautet dann wie in Gl. (9)

t=-\tau*log_2\left(\frac{p_i-p_t}{p_i-p_0}\right) (9)

Ein Tauchgang befindet sich im Rahmen der Nullzeitgrenzen, wenn nach Aufstieg an die Oberfläche in keinem Kompartiment der an der Oberfläche tolerierte Inertgasüberdruck für das jeweilige Kompartiment überstiegen wird.

Wird bei der Berechnung von p_t über Gleichung (5) für p_{amb} der Umgebungsdruck an der Oberfläche eingesetzt, erhält man den tolerierten Inertgasüberdruck im Gewebe an der Oberfläche (das entspricht bei Workmann M0).
Das sei verdeutlicht am Beispiel des Kompartimentes 1 (Halbwertszeit 4 Minuten). 
Kompartiment 1 toleriert rechnerisch einen Inertgasüberdruck auf Meereshöhe von 3,24 bar. Wird in diesem Kompartiment beim Verweilen in der Tiefe ein Inertgasdruck von > 3,24 bar aufgebaut, ist ein direkter Aufstieg an die Wasseroberfläche nicht möglich. Zuerst muss der Inertgaspartialdruck in diesem Gewebe durch einen langsamen Aufstieg oder das Verweilen auf einer oder mehrerer Dekostufen gesenkt werden, sodass an der Oberfläche kein größerer als der tolerierte Druck im Gewebe existiert. 
Bei Kompartiment 1 handelt es sich um ein sehr schnelles Kompartiment. Selbst wenn das in der Tiefe als Leitgewebe eine geringe Dekompressionspflicht aufweist, sollte diese im Rahmen des kontrollierten Aufstieges mit nicht mehr als 9 m/s verschwinden.

In der Entsättigungsphase gibt es die Möglichkeit, bis an die, durch die Bühlmann’schen Koeffizienten gekennzeichneten Grenzen heranzutauchen (aufzusteigen). Das würde bedeuten, die Druckdifferenz zwischen Inertgasspannung im Gewebe und Umgebungsdruck (eigentlich inspiratorischer Inertgasdruck) bis auf das Maximum auszureizen. Bedenkt man, dass die Koeffizienten a und b empirisch ermittelt wurden, muss man sich die Frage stellen, wo die eigene individuelle (auch Tages-) Grenze verläuft.  

Die tatsächliche Implementierung der Sättigungs- und Entsättigungsalgorithmen ist sicher nicht für alle Tauchcomputer bekannt. Es bestehen viele Möglichkeiten, Zeitaufschläge und Konservativismusfaktoren einzusetzen, die sowohl die Nullzeit, als auch die Dekompressionspflicht abweichend vom Bühlmann-„Standard“ berechnen. Was angesichts der physiologisch grenzwertigen Koeffizienten nicht grundsätzlich verkehrt sein muss.

Bühlmann beschreibt Versuchsserien, bei denen im Rahmen von Ersttauchgängen mit Luft (also keine Wiederholungstauchgänge) die Grenzen der Koeffizienten ausgetestet wurden: 
„Bei 8 verschiedenen Versuchsserien wurden die Toleranzgrenzen für die Kompartimente Nr. 7-16 durch Abkürzung der Haltezeit auf der letzen Stufe ‚dosiert’ überschritten. Diese Versuche zeigen, dass mit pt.N2-Werten1 von 103–104% der ZH-L16A Grenzen in 40-50% der Fälle Symptome im Bereich der Haut, der Muskulatur oder der Gelenke auftreten.“ ([1], S.137)
Bei ähnlichen Grenzwertversuchen im Bergseebereich mit einem Umgebungsdruck von 0,815 bar wurde die Erfahrung gemacht „…, dass mit Schäden des Rückenmarks zu rechnen ist, falls die ZH-L16A-Grenzen für die kurzen N2-Halbwertszeiten um 4-5% überschritten werden.“.([1], S.137)

Bei der Auswertung der Ergebnisse der Nullzeitenberechnung bedarf der Logarithmus in (9) einer gesonderten Betrachtung, vor allem auch, da er auf einen Bruch angewandt wird und somit in einigen Fällen kein Ergebnis zu erhalten ist.

Im Rahmen der Nullzeitberechnung wird selbstverständlich trotzdem eine Interpretation benötigt wird, daher werden die relevanten Fälle näher betrachtet und bewertet.

  1.  p_i=p_0
    Der Nenner des Bruchs ist gleich 0, damit ist der Bruch nicht definiert.
  2. p_i=M_0
    Der Wert des Bruches ist gleich 0, damit ist der Logarithmus nicht verwertbar, da 
    log_b \ 0=\begin{Bmatrix}-\infty \ fuer \ b>1\\ \infty \ fuer \ b<1 \end{Bmatrix}
  3. 3. Der Bruch liefert einen negativen Wert für
    1. M_0 > p_i > p_0
      Der tolerierbare Inertgasüberdruck im Gewebe an der Oberfläche M_0 liegt über dem inspiratorischen Inertgasdruck p_i und dieser liegt über dem aktuellen Inertgasdruck im Gewebe p_0.
      Dieser Fall tritt in den frühen Phasen des Abtauchens ein, hier ist die Nullzeit in aller Regel unendlich.
    2. M_0 < p_i < p_0
      Der aktuelle Inertgasdruck im Gewebe p_0 liegt über dem inspiratorischen Inertgasdruck p_i, und dieser liegt über dem an der Oberfläche tolerierten Inertgasdruck im Gewebe, M_0. Der Inertgasdruck im Gewebe ist also bereits höher, als an der Oberfläche erlaubt. Die Tatsache, dass dieser auch höher ist, als der inspiratorische Inertgasdruck bedeutet, dass der Taucher sich bereits in der Auftauchphase befindet. 
      Das Eintreten dieses Falles bedeutet, die Nullzeit ist bereits überschritten und der Taucher befindet sich in der Auftauchphase. Hier ist keine Nullzeitberechnung mehr möglich. Stattdessen muss der nächste Dekostopp berechnet werden (Tiefe und Dauer).
  4. Der Bruch liefert eine positive reelle Zahl größer 1 als Wert. Damit wird t negativ und ist als Nullzeit unbrauchbar. Dieser Fall tritt ein bei
    1. M_0<p_i>p_0
      Dieser Fall wird in [3] derart beschrieben, dass die Nullzeit abgelaufen sei, da der inspiratorische Inertgasdruck p_i sowohl größer als der tolerierte Inertgasdruck im Gewebe M_0, als auch der aktuelle Inertgasdruck im Gewebe p_0 ist.
      Die abgelaufene Nullzeit geht mathematisch aus der Ungleichung nicht hervor, da hier keine Beziehung zwischen M_0 und p_0 ausgedrückt wird (und für ein kurzfristiges p_i>M_0 folgt noch nicht zwangsläufig eine Dekopflicht).
      Diese Beziehung kann am Beispiel eines realen Tauchganges überprüft werden. Hier zeigt sich, dass p_0>M_0 ist. Damit ist der aktuelle Inertgasdruck im Gewebe größer als an der Oberfläche toleriert. Somit ist die Nullzeit tatsächlich abgelaufen. 
    2. M_0>p_i<p_0
      Laut [3] sei dieser Fall in einem sehr frühen Stadium des Tauchganges erfüllt, bei dem die Kompartimente nur sehr gering mit Inertgas gesättigt wären. Daher bestünde kein Risiko, eine fiktive Nullzeit von „99“ anzuzeigen. 
      Betrachtet man aber in dieser Ungleichung nur die Beziehung p_i<p_0, d. h. der inspiratorische Inertgasdruck ist kleiner als der aktuelle Inertgasdruck im Gewebe, wird klar, dass dieser Fall nicht am Anfang des Tauchganges auftreten kann. Die Beziehung wäre dann umgekehrt. 
      p_i<p_0 kann tatsächlich nur in der Entsättigungsphase auftreten, d. h. während des Auftauchens und während der Oberflächenpause. 
      Auch in dieser Ungleichung 4.b wird keine Aussage über das Verhältnis von M_0 zu p_0 gemacht. 
      Die Überprüfung am Beispiel eines realen Tauchganges zeigt, dass dieser Fall M_0>p_i<p_0 in der Austauchphase und anschließenden Entsättigungsphase auftritt. Darüber hinaus zeigt das Beispiel, dass bei allen Fällen des Auftretens dieser Ungleichung M_0>p_0 ist. Damit befindet sich der Taucher de facto wieder in der Nullzeit.

Die Nullzeit wird nach Gl. (9) berechnet. 
Um gültige Werte zu erhalten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • p_i>M_0>p_0 für die Aufsättigung mit Inertgasen,
    also der inspiratorische Inertgasdruck ist größer als der an der Oberfläche tolerierte Inertgasdruck im Gewebe, gleichzeitig muss der Inertgasdruck im Gewebe niedriger sein, als der an der Oberfläche tolerierte Inertgasdruck im Gewebe.
    Durch p_i>p_0 befindet sich der Taucher noch in der Aufsättigungsphase.
  • p_i<M_0<p_0 für die Entsättigung.

 


 1 pt.N2- Stickstoffteildruck im Gewebe (t. für ‚tissue’)